Viele Jahre bedeutete Urlaub für mich und später meine Frau Gaby und mich meistens, mit Rucksack und Zelt im Gebirge unterwegs zu sein. Meist in Skandinavien, Italien oder der Schweiz. Heute bin ich älter, dicker und bequemer und auch Gaby ist nicht jünger geworden. Die langen Wanderungen mit Zelt werden weniger (wir machen sie noch, zumindest ab und zu). Stattdessen gibt’s Tagestouren und wir übernachten in gemieteten Ferienhäusern, kleinen Hotels oder unserem Wohnmobil, das wir uns 2021 gekauft haben und das in Zukunft wohl unsere Art des Reisens maßgeblich bestimmen wird. Ist auch schön, das Essen ist deutlich besser und die Betten bequemer. Aber ist halt nicht mehr ganz so abenteuerlich…

Seit Herbst 2021 haben wir ein blaues Wohnmobil. Im Hintergrund der Corno Grande in den Abruzzen, auf dessen Gipfel ich im Oktober 1995 an meinem 32. Geburtstag allein im Schlafsack übernachtet habe. Eines meiner einprägsamsten Bergerlebnisse.

Wandern

Schon als Kind war ich ständig draußen. Anfang zwanzig habe ich begonnen, in den österreichischen Alpen mehrtägige Hüttenwanderungen und in Norwegen mehrtägige Trekking-Touren mit dem Zelt zu unternehmen. Mit Mitte Zwanzig habe ich die Hütten weggelassen und stattdessen auch in den Alpen das Zelt mitgenommen. Kurz danach habe ich die Alpentäler des Piemont entdeckt – damals noch eine sehr einsame und wenig „bewanderte“ Region. Später kam die Schweiz dazu – Graubünden, das Engadin und das Tessin. Und Gaby. Seit 2000 begleitet mich meine heutige Frau bei fast allen Wanderungen. Von Anfang an hat sie unsere Art zu wandern geliebt und klaglos ihren Teil am Gepäck die Berge rauf und runter geschleppt hat.

Zeltplatz im Tessin, Schweiz, 2009

Wandern mit Zelt bedeutet für uns den Tausch von Komfort gegen Freiheit, Luxus gegen Natur. Wobei das meinem Empfinden nach immer viel dramatischer wahrgenommen wird, als es ist – oder zumindest als ich es empfinde. Ja, ich habe teilweise 25 Kilo oder mehr auf dem Rücken gehabt – und Gaby 15 Kilo oder mehr (ich bin halt etwas kräftiger). Aber dafür sind wir dann auch entsprechend langsam gelaufen und meist auch deutlich kürzer, statt acht oder zehn Stunden am Tag manchmal auch nur zwei oder drei. Vor vielen, vielen Jahren habe ich das auf meiner alten Gletscherhorn-Seite mal Snailing genannt und Vor- und Nachteile beschrieben:

Snailing: Wandern mit Zelt

Ich habe meine Art, in den Bergen zu wandern Snail Hiking, kurz Snailing, genannt (schließlich braucht’s einen griffigen Anglizismus, um das Ganze salonfähig zu machen) – langsam wie eine Schnecke, aber das Haus stets dabei. Es ist anstrengend und man braucht oft zwei Tage oder noch länger für eine Tagestour, aber es hat ein paar Vorteile, die für Gaby und mich Nachteile wie Komfortverzicht oder Anstrengung (schlechtes Wetter oder Langsamkeit sind per se kein Nachteil für uns, sondern Teil des Abenteuers und des Draußenseins) locker ausgleichen:

  • Wir können dort wandern, wo wenig oder keine Hütten sind – und damit wenig Menschen.
  • Wir müssen nirgendwo ankommen – wenn wir müde sind, an einen wunderschönen Platz kommen oder einfach nur Lust dazu haben, stellen wir das Zelt auf und bleiben.
  • Wir können unser Zelt am schönsten Platz am See oder auch oben auf dem Gipfel aufstellen und haben den traumhaftesten Blick beim Abendessen und beim Frühstück.
  • Wenn’s ein Unwetter oder einen Regenschauer gibt, stellen wir fix unser Zelt auf und machen ein, zwei Stündchen Pause bis es aufhört, danach geht’s weiter.
  • Wir müssen nicht in überfüllten Hütten schlafen, mit 10 anderen verschwitzten Wanderern in einem Raum, mit verschwitzten Hemden und Socken, die quer durchs Zimmer zum Trocknen aufgehängt sind, und mit mindestens einem Zimmergenossen, der auf keinen Fall bei offenem Fenster schlafen kann.
  • Hüttenzauber mit Akkordeon-spielender Wirtin und riesigen Tabletts voller Schnäpse bleibt uns erspart.
  • Und das Ganze spart auch noch Geld…
Zeltplatz in Piemont, Italien, 2012

Ach ja, da war noch die Sache mit dem

Wild Zelten

Ein etwas komplizierteres Thema: So ganz klar ist das irgendwie nicht. Manchmal ist es grundsätzlich verboten, manchmal oberhalb der Baumgrenze für eine Nacht erlaubt, sofern das Zelt nach 19:00 auf- und vor 7:00 abgebaut wird. Das ist von Land zu Land und von Region zu Region unterschiedlich. Ich zelte seit ca. Ende der 1980er Jahre wild und habe noch nie irgendwelche Probleme gehabt. Wenn wirklich mal jemand vorbeigekommen ist (nach 16:00, wenn sich alle Wanderer in den Hütten sammeln, sind die Berge meist ziemlich einsam), dann hat er meist nur neidisch gemeint, wie toll das sein muss, mitten in den Bergen zu übernachten, so nah an der Natur. Ich kann dann immer nur beipflichten.

Allerdings gilt es natürlich, ein paar Regeln zu beachten:

  • Wir hinterlassen keinen Müll und versuchen, die Vegetation so wenig wie möglich zu beeinträchtigen
  • Wir machen keine Lagerfeuer und versuchen (bislang erfolgreich), auch mit unserem Trangia-Kocher keine Waldbrände zu entfachen.
  • Wir stellen das Zelt normalerweise erst abends auf und bauen es am nächsten Morgen ab. Da kann es allerdings (vor allem bei schlechtem Wetter) auch mal etwas später als 7:00 Uhr werden.
  • Wir suchen uns (wenn möglich) einen etwas abgelegenen Platz. Außerdem waren alle unsere Zelte stets grün und nicht quietschrot oder leuchtend gelb. Zum einen weil wir nicht gesehen werden wollen, zum anderen aber auch, weil wir die Berge eben nicht wie einen Zeltplatz aussehen lassen wollen.
  • Treffe ich vor dem Zeltaufbau auf irgendwelche Einheimischen (Hirten, Almwirte o.ä.), dann frage ich, ob das in Ordnung geht, wenn ich mein Zelt aufstelle – bis jetzt haben die fast immer ganz entgeistert gefragt, warum das denn nicht in Ordnung gehen sollte. manchmal gibt’s auch einen Tipp, wo ein schöner Platz etwas Abseits der üblichen Wege zu finden ist.
  • Wir bleiben nur in seltenen Ausnahmefällen zwei Nächte am gleichen Zeltplatz. Wenn wir einen Ruhetag einlege, dann ziehen wir meist trotzdem mit dem Zelt weiter – zumindest ein paar hundert Meter.
Zeltplatz im Borgefjell, Norwegen, 2004