Kuldiga – Mittsommer in Lettland – Kap Kulka – Mazirbe – Dundaga – Talsi – Riga – Mittsommer-Nachwehen
Unser nächstes Etappenziel ist Kap Kolka. Eine Landzunge, die die Bucht von Riga von der Ostsee abgrenzt. Aber zunächst fahren wir ins Landesinnere nach Kuldiga. Kuldiga ist Kulturerbe und bekannt für seine alten Holzhäuser (Weltkulturerbe), den längsten Wasserfall Europas (vermutlich auch der niedrigste) und die längste Backsteinbrücke (Lettlands? Europas? Der Welt?). Wir haben den 24. Juni – heute feiern die Letten traditionell den Mittsommer. Fast alle Mädchen und viele Frauen tragen Blumenkränze, oft aus Kornblumen. Am Eingang zur Altstadt ist ein großer Stand aufgebaut, an dem Blumensträuße und -kränze angeboten werden. Vor allem die Kornblumen leuchten schon von weitem. Die Frauen am Stand flechten eifrig Kränze. Die Sonne scheint, alle wirken fröhlich und entspannt. Kuldiga gefällt uns uns. Wir laufen durch die Altstadt zum Wasserfall und der Ziegelbrücke. Hier sind ein paar Touristen unterwegs, aber alles ist entspannt und gemütlich. Mittags finden wir einen zumindest halbschattigen Platz auf der Terrasse des Bangert’s – ein nettes Lokal mit Blick auf Wasserfall und Brücke. Gaby hat Cheviche von der örtlichen Forelle und ich einen Hirschburger. Sehr lecker.
Dann geht’s weiter in Richtung Kap Kolka. Zurück an der Küste suchen wir uns einen Campingplatz für die Nacht. Etwas nördlich von Ventspils werden wir fündig: Kempings Liepene liegt im Wald mit einem kurzen Pfad zum endlosen Sandstrand. Die Besitzerin erklärt uns in perfektem Deutsch, dass es in der Nacht möglicherweise etwas lauter werden könnte: Die Letten feiern Mittsommer. Alle sitzen um das Lagerfeuer und singen und hören Musik. Und wir können uns gern dazusetzen, wir müssen nur etwas Holz im Wald sammeln und mitbringen. Sie muss uns ansehen, dass wir keine ausgesprochenen Partybiester sind und beruhigt uns gleich: Auf ihrem Platz sind hauptsächlich Familien und viele kleine Kinder – da wird es bestimmt nicht laut. Wir suchen uns trotzdem vorsichtshalber die abgelegenste Ecke für unseren Camper. Um zehn fallen wir todmüde in unsere Betten – Die Wirtin liegt richtig: Wir sind definitiv keine Partybiester. Glücklicherweise hat sie wohl auch mit ihrer Prognose recht gehabt. Wir schlafen wie die Murmeltiere und bekommen nichts mit von irgendwelchen Exzessen. Die scheinen sich eher auf den Strand konzentriert zu haben. Der ist am nächsten Morgen von Quad-Spuren übersät und es finden sich Reste von Lagerfeuern.
Der Campingplatz liegt sehr schön, aber es gibt ein paar Kleinigkeiten, die das Gesamtbild trüben. So gibt es zwar (einfache) Duschen und Toiletten, aber keine Waschbecken. Auch die Camper-Leerung und -Füllung erschließt sich nicht so ohne weiteres. Wir fahren weiter nach Kap Kolka. Unterwegs machen wir nochmal Halt in Mazirpe. Hier soll es ein Liven-Museum geben. Die Liven sind eine Volksgruppe, die hier am Kap Kolka lebt. Das Museum finden wir nicht, aber einen netten kleinen Badeort mit einem kleinen Supermarkt, einem schönen Strand und viel Sommerfrischen-Atmosphäre.
Am kostenpflichtigen Parkplatz von Kap Kolka ist dann einiges los – das Kap ist anscheinend eine der Hauptattraktionen hier. Wir gönnen uns erst mal ein Mittagessen auf dem Dach des kleinen Cafés mitten im Wald. Sehr nett und gar nicht schlecht. Anschließend laufen wir zum Kap. Tatsächlich ist es spannender als wir erwartet haben. An der Spitze der kleinen Landzunge treffen kleine Wellen aus der Bucht von Riga auf etwas größere Wellen aus der Ostsee. Irgendwie ganz interessant. Die Sonne scheint, es ist warm, ein paar Menschen baden. Urlaub.
Abends fahren wir zurück nach Mazirbe und quartieren uns auf dem dortigen Campingplatz ein. Leider wimmelt es hier von Stechmücken. Wir gehen noch mal zum Strand, baden, und machen noch einen kleinen Spaziergang zum Bootsfriedhof. Hier haben die Sowjets die Fischerboote der Einheimischen zerstört um einer eventuellen Republikflucht vorzubeugen. Litauer, Letten und Esten haben sich nie als echte Sowjetbürger gefühlt. Den Rest des Abends verbringen wir im Camper, die Mücken haben gewonnen.
Am nächsten Tag fahren wir nach Riga. Auf dem Weg dahin legen wir noch einen spontanen Zwischenstopp in Dundaga ein. An einem kleinen See liegt ein altes Deutschherrenschloss. Im späten Mittelalter beherrschte der Deutschherrenorden das Baltikum. Wir machen einen kleinen Spaziergang und lernen noch, dass ein Abenteurer aus Dundaga im letzten Jahrhundert nach Australien auswanderte und dort zum Vorbild für die Figur des Cocodile Dundee wurde. Ein großes Steinkrokodil belegt die Geschichte. Ansonsten wirkt Dundaga mit seiner alten Molkerei und dem Wollgeschäft wie aus der Zeit gefallen.
Und noch einen Zwischenstopp legen wir ein: Talsi soll eine der schönsten Städte Lettlands sein. Auf neun Hügeln um zwei Seen herum gebaut, mit vielen alten Holzhäusern. Wir machen einen kleinen Spaziergang, sind aber nicht wirklich begeistert. Vielleicht ist es auch einfach schon zu warm. Im Laden einer Molkerei kaufen wir einen einheimischen Käse. Die Verkäuferin ist sehr reserviert, geradezu unfreundlich. Wie überhaupt viele der Menschen, denen wir in Lettland begegnen, eher zurückhaltend sind, um nicht zu sagen abweisend. Der Käse schmeckt übrigens nach nichts, obwohl da angeblich vier verschiedene Geschmacksrichtungen in einem Laib waren.
In Riga finden wir einen Parkplatz in Innenstadtnähe. Wir laufen los durch Parks, entlang an Kanälen und kommen in die malerische Altstadt. Es ist touristisch einiges los hier, aber immer noch kein Vergleich zu dem, was wir von Italien oder Frankreich kennen. Riga ist nett, malerische Parks, schöne Plätze, beeindruckende Fassaden. Aber wir sind einfach keine Stadt-Touristen. Wir essen im Restaurant Domini Canes sehr gut zu Mittag und laufen noch etwas in der Altstadt umher.
Dann reicht es uns – wir gehen zurück zum Auto und fahren weiter in Richtung Estland. Die Suche nach einem Übernachtungsplatz gestaltet sich schwierig: Es ist das Wochenende nach der großen Mittsommerparty und alle Letten sind für ein langes Wochenende an die Küste gefahren, wo sie zelten und feiern. Die offiziellen Campingplätze sind alle randvoll und uns tönt laute Partymusik entgegen. Die halboffiziellen Plätze sind genauso voll und hier türmen sich auch noch riesige Müllberge von der tagelangen Mittsommerparty auf. Schließlich finden wir einen Parkplatz beim Strand von Salacgriva. Nicht unser schönster Stellplatz aber für eine Nacht absolut in Ordnung. Wir machen noch einen kleinen Spaziergang zum Strand und in den verschlafenen kleinen Ort. Den Rest des Abends verbringen wir im Camper und gehen bald ins Bett.