Inselferien

Sleneset – eine Insel am Polarkreis.

Knapp unterhalb des Polarkreises liegen unendlich viele kleine und etwas größere Inseln vor der norwegischen Küste. Einige der größeren kann man einfach (und seit 1. Juli 2022 kostenlos) mit der Fähre erreichen. Eine Fährlinie geht von Stokkvågen über Onøya nach Sleneset und Lovund. Nachdem es auf Lovund, der anscheinend spannendsten Insel, keinerlei erkennbare Stellplätze für unseren Camper gibt, fahren wir nur bis Sleneset. Da gibt es einen Stellplatz direkt am Bootshafen. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellt.

Bobilparkering Sleneset

Nach der gut einstündigen Überfahrt vor einer beeindruckenden Kulisse aus Meer, Bergen, Wolken und Licht kommen wir kurz nach 19:00 Uhr auf Sleneset an. Zum Bobilparkering sind es nur ein paar hundert Meter. Wir sind die einzigen hier und auch der Bootshafen und die paar Häuschen in der Umgebung sind völlig ruhig und wie verlassen. Wir fühlen uns wie auf einer einsamen Insel. Nur die Seeschwalben sorgen für Leben. Direkt vor unserem Camper kreisen sie und stechen dann auf der Jagd nach kleinen Fischen ins Wasser des Hafenbeckens. Auf der anderen Seite des Stellplatzes fährt die Fähre weiter nach Lovund. Es wird eine ruhige Nacht, nur unterbrochen vom Zwitschern der Seeschwalben und dem Geschrei der Möven.

Sleneset Bobilparkering aus der Dronenperspektive
Ankommen auf Sleneset

Am nächsten Tag, es ist Donnerstag, lassen wir es ruhig angehen. Ich werfe die Angel an der Durchfahrt hinter dem Stellplatz ins Wasser und habe gleich beim ersten Wurf einen schönen Dorsch an der Angel. Das Fieber ist geweckt. Gaby kommt dazu und schnell haben wir unser Abendessen beisammen. Es gibt Dorsch, Köhler und Schellfisch. Alles sehr gut, aber der Dorsch ist noch einen Tick besser. Einfach der leckerste Fisch. Allerdings gibt es immer wieder kleinere Unterbrechungen: Erst kommt die Fähre vorbei, dann ein englisches Pärchen in Neopren mit Laufschuhen und Schwimmbojen. Plötzlich kommen die von hinten über die Felsen geklettert. Sie erzählen kurz, dass sie hier durch die Kanäle schwimmen und über die Inseln laufen, dann hüpfen sie ins Wasser und schwimmen zur nächsten Insel, wo sie dann an Land klettern und ziemlich schnell außer Sicht laufen.

Später lernen wir Thore kennen. Thore ist der Stellplatzbetreiber. Ist wohl eher ein Hobby – er stammt von Sleneset, hat viele Jahre überall auf der Welt gearbeitet und lebt jetzt im Sommer auf Sleneset und im Winter in Portugal. Er ist unglaublich freundlich und hilfsbereit. So organisiert er uns der Tage noch ein Motorboot, leiht uns ein Verlängerungskabel, dass wir den Stellplatz wechseln können (das wird noch nötig) und erzählt uns viel über das Leben auf einer kleinen Insel nahe am Polarkreis. Nachmittags fahren wir die Insel mit dem Fahrrad ab (laut Thore gibt es 11 km Straße auf Sleneset). Unterwegs kommt uns ein Radfahrer entgegen: Wir sollen unbedingt zu der Kunstausstellung im Industriveien kommen. Einfach den rosa Bändchen folgen. Wir versprechen es ihm und planen für den nächsten Tag einen Besuch ein. Abends gibt es panierten Köhler und Schellfisch mit Kartoffeln und gebratenem Spitzkohl. Sehr lecker.

Erste Partyklänge

Nachmittags ist übrigens noch ein Wohnmobil eingetroffen. Ein norwegisches Ehepaar. Sie stammt von Sleneset, er von irgendeiner Insel in der Gegend. Ab und zu spielen sie laute Countrymusik, insgesamt sind sie aber (noch) eher ruhige Nachbarn. Schade, wir hatten uns schon als alleinige Besitzer diese idyllischen Fleckchens gesehen. Dann kündigt Thore noch drei Wohnmobile für Freitag an und unser Nachbar redet irgendwas von Party. Wir hoffen, dass er die große Feier am Samstagabend im Gemeindehaus meint.

Wandern, Kunst und nette Norweger/innen

Freitag ist Wandertag. Wir packen Kameras und Brotzeit ein und fahren mit den Rädern ein paar Kilometer die Insel runter. Hier geht ein Wanderweg los, der über eine kleine Pontonbrücke auf die bewaldete Nachbarinsel führt. Auf dem höchsten Berg (ca. 30 m) gibt es eine Lichtung mit Picknickbank und Weitblick, sonst laufen wir durch ein Wäldchen aus niedrigen Weiden und Birken. Nach etwa 2 Stunden sind wir zurück bei den Rädern und fahren zum Industriveien, um die Kunstausstellung zu besuchen. Eigentlich wollen wir vor allem Kaffee und Kuchen, die es hier geben soll. Wir kaufen zwei Kaffee und zwei Stück Kuchen und stellen dann fest, dass wir gar nicht bezahlen können. Man kann hier nur per VIPPS zahlen. Eine norwegische Bezahl-App, die man nur mit einem norwegischen Bankkonto und einer norwegischen ID-Nummer nutzen kann. Die nette Kuchenverkauf- und Ausstellungsunterstützungsfrau lädt uns kurzerhand zu Kaffee und Kuchen ein und wir bestehen darauf, 100 Kronen in bar für die Kunst spenden zu dürfen. VIPPS könnte noch zum Problem werden: Auch am Stellplatz sollen wir eigentlich via VIPPS zahlen. Immerhin gibt es hier einen Briefkasten, in den wir das Geld werfen können. Dann sogar auch in Euro. Die Ausstellung ist dann eine echte Überraschung. Benjamin Slotterøy, ein von Sleneset stammender Glaskünstler und Kurator, der teils auf Sleneset und teils in Stockholm lebt, hat die Ausstellung organisiert und gibt uns eine exklusive Führung. Ganz anders als wir erwartet hatten, sind hier Werke von namhaften internationalen Künstlern ausgestellt. Es geht um die Begegnung von Inselleben und queeren und diversen Lebensentwürfen, um Feminismus und die Rechte von Sami. Was erstmal etwas wirr und widersprüchlich klingt, wird durch die Reduzierung auf einige wenige, aber wertige Arbeiten und durch die Erklärungen von Benjamin zu einem in sich schlüssigen Gesamtbild. Eine sehr interessante Ausstellung mit tollen Objekten.

Am späten Abend erleben wir noch einen spektakulären Sonnenuntergang aus unserem Bett im Camper.

Die Party steigt

Als wir zum Campingplatz zurückkommen, herrscht da schon rege Betriebsamkeit: die angekündigten drei Wohnmobile (alles Riesenschiffe mit drei Achsen) sind eingetroffen und haben uns komplett einbaut. Wir parken erstmal um – es gibt noch einen Stellplatz, der etwas abseits liegt und vielleicht ein wenig ruhiger ist. Ein Camper hat einen kleinen Spitz dabei, der an einer langen Leine liegt und jedesmal, wenn wir zu den Waschräumen wollen, auf uns losgeht, als wäre er speziell auf Partymuffel abgerichtet. Alle Camper scheinen sich zu kennen und uns schwant übles in Hinblick auf die Party. Dass die vielleicht doch nicht im Gemeindezentrum, sondern hier am Platz stattfinden wird. Schon werden Tische zusammengeschoben und ein Windschutz aufgebaut. Abends geht es dann los: erst wird gegrillt, dann getrunken und immer wieder Musik gespielt. Leider ist die Musik von der allerübelsten Sorte: Humtata-Schlager zum Mitgrölen. Gkücklicherweise auf Norwegisch, so dass wir die Texte nicht verstehen. Ich fürchte, das die ziemlich unterirdisch sind und es ist schon so nur ganz schwer auszuhalten. Immerhin spielen die immer nur zwei, drei Lieder am Stück, dann hat die Musik wieder Pause und es wird geratscht. Irgendwann schlafen wir ein.

Angeltour mit Boot

Samstag haben wir ein Boot gemietet. Thore hat´s organisiert und kommt auch zum Vermieter, um zu übersetzen. Es ist ein offener, kleiner Außenborder mit 20 PS-Motor. Flott genug, um uns ordentlich zwischen den Inseln umherfahren zu lassen. Rund um Sleneset liegen hunderte kleiner und kleinster Inseln, zwischen denen wir teils durch enge Kanäle, teils über breitere Buchten fahren. Zwischendrin werfen wir in einer Bucht die Angeln aus und haben in kurzer Zeit 5 schöne Dorsche gefangen. Mittags legen wir an einer Insel an, auf der ein einsames, altes, weißes Haus steht. Später erfahren wir von Thore, dass das Haus von einer Organisation gekauft wurde, die dort Programme mit auffälligen Jugendlichen durchführt. Heute sind wir allein, die Insel gehört uns. Gaby nutzt das Traumwetter und nimmt ein Bad im Nordatlantik. Thomas angelt vom kleinen Schwimmsteg aus. Schon beim ersten Versuch beißt ein schöner Dorsch. In wenigen Minuten haben wir nochmal fünf Dorsche. Wir essen zu Mittag und lassen die Drohne fliegen.

Geispersholmen aus der Dronenperspektive.

Dann nimmt Thomas die Dorsche aus und filetiert sie, was eine ziemliche Plackerei ist bei 10 Dorschen. Irgendwann brechen wir dann wieder auf und verlassen unsere kleine Robinson-Insel. Der Tank ist noch fast voll. Eine gute Gelegenheit, die Inselgruppe zu erkunden. Wir fahren in Richtung Lovund: Ein 600 Meter hoher Fels mit einem Papageitaucher-Beobachtungspunkt, einer Bar mit Namen Aloha und einer gigantischen Lachsfabrik, wo die Lachse aus den umliegenden Farmen verarbeitet werden. Gute Entscheidung, auf Sleneset zu bleiben. Als wir zwischen den kleinen Inseln auf`s offene Meer kommen, nimmt die Dünung merklich zu und wir kehren schnell wieder um. Immerhin haben wir freien Blick auf Lovund gehabt. Auf dem Weg zurück wird es nochmal spannend: Wir fahren durch ein paar enge Kanäle. Die Ebbe hat schon eingesetzt und teilweise ist das Wasser recht flach. Einmal müssen wir umkehren und eine alternative Route nehmen. Unterwegs fangen wir noch einen Dorsch. Gegen 17:00 geben wir das Boot zurück und fahren mit den Rädern zum Stellplatz. Wir sind ziemlich erledigt von der Sonne und Wind, Bootfahren, baden und angeln. Abends gibt es noch panierten Dorsch mit Gemüsecouscous.

Und nochmal Party

Dann steigt die Party: Zwei der vier Party-Wohnmobile sind weg und wir hatten gehofft, dass die übrigen dann einsam vor sich hin trauern, aber von wegen. Windschutz, Grill und Tische stehen und abends geht es richtig los. Als Höhepunkt läuft so gegen 23:00 Uhr ein Jodel-Song und die sicher schon ziemlich alkoholisierten norwegischen Feierbiester jodeln voller Inbrunst mit. Wir überlegen schon, alles schnell zusammenzupacken und uns irgendwo auf der Insel einen ruhigen Platz weit weg von der Party zu suchen, als die Musik nach dem Jodel-Highlight plötzlich abbricht und die Gang sich nur noch in „Zimmerlautstärke“ unterhält. Wir bleiben doch und schlafen irgendwann ein.

Eine Ruhetag auf der Insel

Und auch am Sonntag bleiben wir. Als die Party-Gang zusammenpackt und nur der am Freitag noch angekommene Camper mit einer sehr ruhigen norwegischen Kleinfamilie (tatsächlich kommen die nur zum Wäschewaschen und Grillen aus ihrem Camper – zumindest wenn wir da sind) steht noch hier. Kurzentschlossen verschieben wir unsere Abreise nochmal und legen einen Ruhetag ein. Mittags findet im Haus mit den Waschräumen, das gleichzeitig das Clubhaus des örtlichen Bootsvereins ist, der sonntägliche Kaffeetratsch statt. Die einheimischen Inselbewohner und ein paar Bootsgäste sitzen bei Kaffee und Waffeln zusammen. Wir gönnen uns auch eine Portion und setzen uns dazu. Eine nette Atmosphäre. Ansonsten waschen wir Wäsche, lesen, kehren den Camper aus und unternehmen ein paar halbherzige Angelversuche vom Hügel hinter dem Stellplatz. Auch mal schön, so ein Tag ohne Programm. Morgen werden wir dann die Fähre zurück nach Stokkvågen nehmen.

Regen, Regen und keine Fähre

Montagmorgen stehen wir gemütlich auf und machen uns fertig. Es regnet, aber das stört uns nicht groß, schließlich geht um 12:35 unser Fähre auf`s Festland. Denken wir. Eine Stunde vor Abfahrt stehen wir am Fährkai. Eine halbe Stunde nachdem die Fähre eigentlich schon abgefahren sein sollte, sagt uns jemand Bescheid: Die haben Probleme mit dem Personal, die Fähre fällt aus. Die nächste geht um 17:45. Es regnet immer noch. Und anscheinend wird es auch den ganzen Tag noch regnen. Mist. Nach kurzem Überlegen fahren wir zum örtlichen Joker (ein kleiner Supermarkt, der erstaunlich gut sortiert ist) und kaufen erst mal ordentlich ein. Unter anderem gibt`s Angelköder im Angebot. 15 Kronen statt sonst um die 80. Nachdem wir immer mal wieder welche verlieren, ist das eine gute Gelegenheit, unsere Angelkiste mal ordentlich aufzufüllen. Dann stehen wir wieder in der Warteschlange am Kai, lesen, schlafen, trinken Kaffee und essen Blaubeermuffins und Puddingplunder bis die Fähre dann fahrplanmäßig fährt.

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