Fähre nach Saaremaa – Muhu – Camping Muharanna – Käkisilma Telkimisala – Panga Pank – RMK-Platz – Fähre nach Hiiumaa – Sääre Tirp – Kärdla – Randmäe Puhketalu – Leuchtturm Tahkuna – Disc-Golf
Nach der Nacht bei Salacgriva brechen wir früh auf und fahren nach Estland. Gerade rechtzeitig kommen wir in Virtsu an: Die Autofähre nach Saaremaa wird gerade beladen. Wir fahren direkt an Bord und es geht los. Fähre fahren ist toll. Man wird quasi zur Entspannung gezwungen. Nichts zu tun, als aufs Meer und vobeiziehende Schiffe zu schauen, Hot Dogs oder Waffeln zu essen und einfach nichts zu tun. Die Fähre nach Saaremaa braucht nur 20 Minuten, aber es ist trotzdem eine wunderbare kleine Auszeit.
Die Fähre nach Saaremaa fährt übrigens gar nicht bis Saaremaa, sondern nur bis zur kleinen, vorgelagerten Insel Muhu. Von da gelangt man dann per Brücke nach Saaremaa. Wir legen einen kleinen Zwischenstopp ein und machen Mittagspause im Bottengarn, einem schicken Hotel mit Restaurant und eigenem kleinen Hafen. Wir sitzen im Wintergarten, draußen sind die Schattenplätze alle belegt oder reserviert und in der Sonne ist es viel zu heiß. Ab und an weht ein Windhauch durch die Luftschlitze unter den Glasscheiben aber es ist trotzdem sehr warm. Das Essen ist sehr gut, regional und kreativ.
Nach dem Essen machen wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz. Wir würden gern etwas länger an einem Ort bleiben, aber natürlich haben wir da hohe Ansprüche. Schließlich landen wir beim Muharanna Caravan and Camping Saaremaa. Ein sehr schöner Platz mit einem sehr netten Besitzer und sehr guten Kritiken bei Google und Park4Night. Alles passt und ist wirklich prima – nur das Meer kann so gar nicht überzeugen. Wir klappern den ganzen Strand ab, aber egal wo wir ins Wasser gehen, es ist maximal knietief. Dazu gibt es reichlich Algen und einen steinigen Grund, der es schwer macht, durch das warme, flache Wasser zu waten. Wir versuchen, die Hitze des nächsten Tages an unserem Platz im Schatten einer großen Pappel zu überstehen, machen eine kleine Radtour entlang einer historischen Schotterstraße und weihen unseren neuen Scotty Camping-Gasgrill ein. Es ist ein schöner, entspannter Tag aber um länger zu bleiben fehlt uns bei der Hitze einfach eine Bademöglichkeit. Vielleicht kommen wir mal im Frühjahr wieder, wenn Vogelzug ist. Die Gegend muss ein wahres Vogelparadies sein.
Nach zwei Nächten am „Muharanna Caravan and Camping Saaremaa“ fahren wir weiter zum Vilsandi Naturpark, wo wir den Käkisilma Telkimisala machen, einen Wanderweg, der durch die hier extrem flache Ostsee über mehrere kleine Inseln zur Insel Vilsandi führt und dabei Bootsfahrrinnen kreuzt. Der Weg ist offiziell gesperrt, da die Bootsrinne wohl recht tief und die Strömung zu stark ist. Allerdings darf man den Weg auf eigene Gefahr trotzdem gehen, was wir dann auch machen. Einen Bericht dazu gibt es hier…
Unser nächstes Ziel ist Panga Pank, die Panga Klippe. Eine etwa 20 Meter hohe Steilküste mit einem (derzeit gesperrten) Aussichtturm. Allerdings ist so eine Klippe vor allem von unten spektakulär und runter kommen wir hier nicht. Vielleicht gibt es einen Weg, aber es ist viel zu heiß für große Exkursionen. Doch wozu habe ich eine Drohne? Ratzfatz ist die in der Luft und wir haben ein paar recht beeindruckende Panoramen von Panga Pank.
Anschließend wollen wir weiter nach Hiiumaa, der zweitgrößten Insel Estlands, nördlich von Saaremaa. Die Fähre scheint ausgebucht (bzw. wir verstehen das Buchungssystem nicht) und so beschließen wir, eine Nacht auf einem RMK-Platz in der Nähe des Fähranlegers zu verbringen. RMK-Plätze sind offizielle Übernachtungsplätze der estnischen Forstverwaltung. Sie haben in der Regel einen Unterstand, Bänke und Tische, eine Plumpsklo und eine Feuerstelle. Meist liegen sie im Wald, von dem es in Estland ja reichlich gibt. Unserer liegt am Waldrand gleich an einem netten Strand. Das Wasser ist tatsächlich tief genug um nach nur 30, 40 Metern waten schwimmen zu können ohne mit dem Bauch über den Boden zu schleifen. Wir nutzen die Gelegenheit und erfrischen uns erst mal etwas. Soweit der angenehme Teil. Der schönste Stellplatz ist schon belegt (von einem Pärchen aus Fürth) und auch sonst ist es schon ziemlich voll. Vor allem aber wimmelt es hier von Mücken, so dass wir uns trotz der Abendwärme recht bald im Camper verkriechen. Später feiert ein estnisches Pärchen noch bis tief in die Nacht eine verspätete Mittsommer-Party. Erst unterhalten sie sich stundenlang (ziemlich laut), dann spielen sie laute Humta-Musik und schließlich beschäftigen sie sich sehr intensiv miteinander, wobei alle anderen Camper teilhaben dürfen – zumindest akustisch. Auch wenn die das vielleicht gar nicht wollen.
Wir haben uns zwischenzeitlich mit dem dem Buchungssystem der Fähre vertraut gemacht: 70% der Plätze können online gebucht werden, die übrigen 30% nur vor Ort am Fährterminal. So sollen auch spontan Reisende die Möglichkeit haben, mit der Fähre überzusetzen. Wir fahren zur (online ausgebuchten) Fähre, ziehen das Ticket am Automaten und setzen nach Hiiumaa über. Kein Problem, wenn man weiß wie’s geht.
Unser erstes Ziel auf Hiiumaa ist Sääre Tirp, eine schmale Landzunge an der Halbinsel Kassari im Süden von Hiiumaa. Mehr zu Sääre Tirp gibt es hier…
Seit ein paar hundert Kilometern bettelt unser Camper jetzt schon nach einem Ölwechsel. In Kärdla, dem Hauptort von Hiiumaa finden wir nach längerem Herumfragen eine Werkstatt, die uns nicht nur sofort den Ölwechsel macht, sondern selbigen auch noch höchst professionell und digital in unser Wartungsheft einträgt. Wir dürfen solange vor dem aufziehenden Gewitter im Büro Schutz suchen, wo außer uns noch ein top-restaurierter 50er Jahre BMW steht. Der ganze Stolz des Werkstattchefs. Ist aber auch sehr beeindruckend. Anschließend bummeln wir noch durch das Zentrum von Kärdla. Es gibt einen Supermarkt, einen Handarbeitsladen, ein paar nette Cafés und einen winzigen Laden für Produkte aus der Umgebung, der um 17:00 Uhr schließt – und uns um 16:50 deshalb nicht mehr rein lässt. In einem Sportgeschäft etwas außerhalb des Zentrums kaufen wir Ersatz für meine Adiletten: Nike-Badeschlappen, die viel zu eng sind und sich anscheinend auch nicht weiten. Beim Laufen schieben die sich immer von Fuß, so dass ich alle paar Meter halten und die wieder anziehen muss. Außerdem tun die weh. Für 40 €! Ein paar Tage später greife ich mir in einem finnischen Supermarkt ein paar Croq-Imitate für 5 € vom Grabbeltisch. Viel besser.
Ein paar Kilometer westlich von Kärdla finden wir einen Campingplatz: Randmäe Puhketalu. Bei Google als Freizeitzentrum deklariert, tatsächlich eine Disc-Golf-Anlage (mehr dazu später), eine Art Jugendcamp und ein ziemlich großer Campingplatz mit Stellplätzen im Wald, im Park und auf einer Wiese direkt an der Ostsee. Wir suchen uns für die erste Nacht einen Platz im Schatten eines lichten Kiefernwäldchens. Soweit recht schön, allerdings gibt es hier doch ziemlich viele Stechmücken. Wir bleiben vier Nächte und wechseln in der Zeit noch zwei Mal den Stellplatz. Erst an den Rand eines Birkenwäldchens und schließlich auf die große Wiese am Strand. Der Platz ist relativ leer, wir sind für uns. Den ersten Tag bleiben wir am Campingplatz und machen Urlaub vom Urlaub. Die Ostsee ist tief genug und wir haben Sandstrand, so dass wir baden können. Nach dem ersten Platzwechsel stehen wir etwas mehr im Wind – weniger lästige Mücken. Ein entspannter und gemütlicher Ruhetag, der uns gut tut. Es ist warm, an die 30°C, wir halten uns meistens im Schatten auf und sind für jeden Windhauch dankbar.
Am nächsten Tag fahren wir mit den Rädern nach Kärdla. Etwa 12 km einfach. Ein wenig Bewegung. Die Strecke ist okay, es gibt einen Radweg neben der Straße. Allerdings erscheint uns eine Radtour im Baltikum als nicht sehr erstrebenswert: Fast alle Straßen gehen durch den Wald, oft scheinbar endlos geradeaus. Rechts und links nichts als Bäume. Aber wir sind ja keine Radfahrer.
Kärdla ist nett. Wir essen in einem Cafè eine Kleinigkeit zu Mittag, bummeln über den Markt, kaufen noch etwas im Supermarkt und schauen uns das kleine Heimatmuseum mit einer netten Ausstellung über Kindheit in Kärdla im Laufe der letzten hundert Jahre an. Von Bauernkindern, die schon mit 5 Jahren den ganzen Tag hart arbeiten mussten über sowjetische Erziehungsmaßnahmen bis zu den Kindern von heute, die in einem der digitalisiertesten Länder der Welt aufwachsen. Den Rest des Tages verbringen wir am Campingplatz mit Nichtstun – sofern das am Campingplatz möglich ist: Irgendwas gibt’s da ja immer zu tun…
Am folgenden Tag haben wir den nahegelegenen Leuchtturm Tahkuna anvisiert. Knappe 10 km mit dem Rad durch den Wald. Am Leuchtturm ist ein minimalistisches Café, in dem wir Karten für den Aufstieg zum Leuchtturm kaufen und lokal erzeugte Limo trinken trinken. Maine ist mit Wacholder. Interessant, aber nicht unbedingt mein Fall. Nach 39 Metern Aufstieg genießen wir einen wunderbaren Fernblick und entdecken hinter einem Wäldchen einen einsamen Traumstrand, an dem wir anschließend noch baden. Das Wasser ist hier richtig tief, wir können schwimmen und uns abkühlen. Das für den Nachmittag angekündigte Gewitter zieht vorbei und wir beobachten noch ein paar Jugendliche am Campingplatz beim Disc-Golf spielen. Dabei werfen die Frisbee-Scheiben über vielleicht 100 Meter lange Parcours in mit Ketten behängte Körbe. Anscheinend der heiße Scheiss in Estland und Finnland – in den Sportgeschäften finden sich ganze Wände voller Scheiben für die unterschiedlichen Distanzen. Keine Ahnung, ob ich das einfach noch nicht mitbekommen habe oder ob das einfach in Deutschland noch nicht angekommen ist. Vermutlich braucht es da einfach zu viel Platz, immerhin spielen die 18 Körbe/Bahnen/Löcher.
Ach ja, der Campingplatz liegt im Norden von Hiiuma, mit Blick nach Nordwesten. Das bedeutet jeden Abend überwältigende Sonnenuntergänge.